Nachruf Nico und Nando
Nico und Nando – wer sagt, dass Rinder nicht trauern können?
Nico und Nando, zwei Braunvieh-Ochsen, standen in der Schweiz und wurden von einem privaten Verein, der Rindern in Not hilft, gerettet. Die beiden Freunde entwickelten sich sehr gut und wurden richtig große Ochsen mit prächtigen Hörnern.
Als der Platz in der Box für sie zu klein wurde, versuchte der Verein, Nico und Nando zu vermitteln. Ihre großen, spitzen Hörner jedoch erschwerten die Vermittlung und so wurden Nico und Nando schließlich Aiderbichler. 2015 zogen beide gemeinsam von der Schweiz nach Gut Aiderbichl in Henndorf.
Die Hornanlage erschwerte die Vermittlung
Die Enthornung war bei Nico und Nando nicht gemacht worden, deshalb waren die prächtigen Ochsen schwer bis gar nicht zu vermitteln.
Warum haben Rinder Hörner?
Rinder sind sehr soziale Tiere und haben eine vielschichtige Körpersprache. Durch das „Hornen“ wird beispielsweise die Rangordnung in einer Herde bestimmt, die Hörner dienen aber auch dazu, um spielerisch mit ihren Artgenossen in Kontakt zu treten.
Ein 600 Grad heißer Eisenstab brennt den Hornansatz am Kopf des Kalbes ab
Nando und Nico wurde kein 600 Grad heißer Eisenstab zehn Sekunden lang auf den Kopf gesetzt, um den Hornansatz abzubrennen und so blieb den beiden ein unheimlicher Schmerz, ein Trauma sowie eine lebenslange empfindliche Stelle am Kopf erspart.
In der Massentierhaltung stehen viele Rinder eng nebeneinander im Stall und die Enge oder beispielsweise die Anbindehaltung beeinflusst den gutmütigen Charakter der Rinder. Fehlender Auslauf und Platzmangel machen aus friedlichen Geschöpfen aggressive Tiere und so könnten sie, sollten sie die Hornanlage tragen, dem Menschen und den Artgenossen ärgste Verletzungen zufügen oder sie sogar aufspießen.
Die Ochsen bewahrten immer einen kühlen Kopf
Kein Nachteil, wo nicht auch ein Vorteil ist. Die beiden Ochsen konnten zwar aufgrund ihrer Hörner nicht vermittelt werden, aber sie konnten Zeit ihres Lebens einen kühlen Kopf bewahren. Denn die Hörner leiten überschüssige Wärme ab und schützen so vor allem das Gehirn. Die schöne Behornung von Nico und Nando hat, solange die beiden lebten, und das waren immerhin 15 Jahre, weder Tier noch Mensch verletzt.
An Nico und Nando ging die Zeit nicht spurlos vorüber
All die Jahre brachten uns Nico und Nando immer wieder zum Schmunzeln. Aber weder an Nico, noch an Nando, ging die Zeit spurlos vorüber.
Nico wurde immer ruhiger, langsamer und schwächer. Zuletzt konnte er nicht mehr aufstehen. Er bekam Aufbauspritzen und die besten Behandlungen, aber nichts wollte wirken und unserem Nico wieder Lebensfreude geben. Mehrere Tage lag er im Stall und es wurde alles unternommen, um seinen Kreislauf in Schwung zu bringen. Bald sollten wir merken, dass die Natur stärker war als wir.
Nico schlief vor einigen Wochen ein und ließ seinen Freund Nando zurück.
Und es gibt sie doch, die immerwährende Freundschaft unter den Tieren
Nico war nun am anderen Ufer auf einer Weide, wo es keine Schmerzen und keine Probleme mit dem Aufstehen gibt.
Nando trauerte um seinen verstorbenen Freund, seit dieser seine Augen geschlossen hatte. Sein Muh wurde immer leiser und das traurige Verhalten Nandos schnürte uns die Kehle zu, denn wir fühlten, dass Nando nicht länger ohne Nico leben wollte.
So gab er Wochen nach Nicos Tod die gleichen Zeichen wie sein vorangegangener Freund – er legte sich fest und alles Bemühen brachte keine Besserung in seinen schwachen, müden Körper. Er wollte zu Nando und wir verabschiedeten uns in aller Ruhe und einer tiefen Traurigkeit und fühlten, dass er, wie auch Menschen es machen, seinem besten Freund folgen wollte.
Wenn Tiere sterben, geht immer ein Stückchen von unserem Herzen mit auf die Reise
Die Freunde Nico und Nando waren außergewöhnlich gutmütige und soziale Ochsen und man kann sagen, dass sie für ihre Menschen immer ein Lächeln bereit hatten. Sie liebten die Streicheleinheiten und wackelten langsam mit den Ohren, so, als würden sie uns verstehen, wenn man ganz leise mit ihnen sprach
(…) „Liebe ist das Empfindlichste und gleichzeitig das Stärkste, dass es im Leben gibt. Lebendige Liebe bleibt über das Leben hinaus; sie ist das einzig Lebendige, dass ewig bestehen kann", murmelte der junge Fuchs, während er dem ewig kleinen Prinzen nachwinkte, "und Abschied gehört zum Leben." (...)
– Antoine de Saint-Exupéry
Lieber Nico, lieber Nando,
vom ersten Tag an wussten die Tierpfleger von Gut Aiderbichl, dass ihr zwei ganz besondere Ochsen seid.
Danke, dass wir euch viele Jahre begleiten durften, mit euch lachen konnten und, dass ihr uns bewiesen habt, dass, wenn man Rinder respektvoll behandelt, sie dem Menschen auch ein Freund sein können.
Eure Hornanlage hat uns nie verletzt. Sie hat uns gelehrt achtsam zu sein.
Macht’s gut auf der großen Weide im Tierhimmel und vergesst eure Menschen nicht.
Von: Gisela Pschenitschnig, Gut Aiderbichl