Nachruf Paulchen
Paulchens unglaubliche Geschichte
Siebzehn Jahre lang verbrachte Paulchen auf Gut Aiderbichl: die ersten Jahre seines Lebens auf Gut Aiderbichl in Deggendorf, seit 2018 dann auf Gut Aiderbichl in Kilb, wo er leider nun im Alter von siebzehn Jahren verstarb.
Wenn man sich mit seiner Geschichte befasst, kommt es einem vor, als würde man sich mitten in einem Kriminalfilm befinden. 30 km von Nürnberg entfernt, ereignete sich eine unglaublich tragische Geschichte. Ein junger Stier, der seine ersten Lebensjahre in Mutterkuhhaltung verbracht hatte, sollte geschlachtet werden. Er wollte partout nicht auf den Anhänger, der ihn zum Metzger bringen sollte. Der Bauer beschloss, das Tier zu überlisten und führte eine trächtige Kuh, die dieser junge Stier sehr mochte, als erste auf den Transporter. Am Hof des Metzgers angekommen, brach im Transporter große Panik aus und der junge Stier befreite sich und seine trächtige Begleiterin Frieda. Der Stier konnte fliehen, Frieda lief in Richtung Autobahn und wurde von der Polizei – um die Autofahrer nicht zu gefährden – erschossen. Sie starb an der Unfallstelle und das Unglaubliche geschah: aus dem Bauch der toten Kuh holte der Metzger, bei dem die Kuh geschlachtet hätte werden sollen, ihr kleines Kälbchen, das wir Paulchen tauften.
Was sollte nun aus Paulchen und dem jungen Stier Christian werden? Der Bauer, dem die Tiere gehörten, stimmte der Aufnahme auf Gut Aiderbichl zu. Christian war noch immer auf der Flucht und erst am zweiten Tag seiner Flucht gelang es dem Tierarzt, Christian mithilfe eines Betäubungsgewehrs ruhig zu stellen und in ein Gehege zu bringen.
Klein Paulchen wartete unterdessen in einer großen Kiste mit ganz viel Stroh auf die Fahrt nach Gut Aiderbichl. Hier sollte nun ein gesichertes, geschütztes Leben bis ans Lebensende beginnen. Er hatte zwar keine Mama, aber Christian, der so sehr in seine Mama Frieda verliebt war, blieb für viele Jahre sein bester Freund.
Paulchen war ein richtiger Sonnenschein – sein ganzes Leben lang war er eine Frohnatur. Er liebte es, am Hof frei laufen zu dürfen, er liebte die großen, weiten Weiden im Sommer und all seine Artgenossen. Unser Paulchen war ein gutmütiger und freundlicher Ochse und hat seine schönen, langen Hörner nie eingesetzt: weder bei anderen Rindern noch bei Menschen.
Paulchen hatte in letzter Zeit Probleme mit dem Wiederkäuen und so schien sein gesamter Verdauungstrakt sehr angegriffen. Am Morgen wurde er noch vom Tierarzt untersucht und behandelt, doch die Medikamente haben nicht geholfen. Am Abend fand ihn sein Tierpfleger im Stall – still und heimlich war Paulchen für immer eingeschlafen. Ganz ruhig und leise ist er gegangen, ganz im Gegensatz zum Tag seiner Geburt.
Er hatte uns seinen Plan, über die Regenbogenbrücke gehen zu wollen, verschwiegen. Vielleicht hat Paulchen einen leisen Seufzer der Erleichterung losgelassen, als seine Lebenskerze erloschen war?
Der Tod ist der Beginn einer neuen Reise.
– Hermann Hesse
Liebes Paulchen,
wir sind sehr traurig, dass du dich auf die Reise gemacht hast. Zurück aber bleibt die Erinnerung an ein sehr berührendes Schicksal eines kleinen Kälbchens, dass durch einen einzigen Knall seine Mutter verloren hat, noch bevor es geboren war.
Deine Lebensgeschichte ist so unglaublich, wie die Tatsache, dass du trotz des Todesschusses deiner Mama die Menschen geliebt hast.
Du bleibst ein wichtiges Symbol für den Instinkt und die Klugheit der Tiere, die die Menschen immer unterschätzen.
Mach’s gut liebes Paulchen. Nach so vielen Jahren bist du nun bei deiner Mama auf der großen Weide. Wir werden dich nicht vergessen.
Geschrieben von: Gisela Pschenitschnig, Gut Aiderbichl