Kalb Snowy
Snowy sehnt sich nach ihrem Zwilling
Snowy war erst ein paar Wochen alt, als sie Aiderbichlerin wurde. Eigentlich hatte sie ein Zwillingsgeschwisterchen, doch die beiden waren getrennt worden. Erst die Trennung von der Mama, dann die Trennung vom Geschwisterchen: Klein–Snowy wollte nicht mehr trinken.
Emotionen, Vermenschlichung und fehlendes Fachwissen
Die heiße Diskussion, ob das Kalb und die Mutterkuh leiden, wenn sie voneinander getrennt werden, bleibt vielleicht unbeantwortet. Tatsache ist, dass die Natur bestimmt hat, dass die Kuh ein Kalb bekommt und für sein Kalb die Milch produziert. Aber die heutige Milchwirtschaft ist nicht mehr mit der Rinderhaltung von früher zu vergleichen, sie ist industrialisiert worden. Kuh und Kalb werden daher zu früh getrennt. Es geht nicht mehr darum, dass die Familie sich von den Eigenerzeugnissen am Hof ernährt, sondern es geht um Profit durch Masse. Durch die Arbeit mit den Tieren bemerken unsere Tierpfleger, dass jedes Muh eine besondere Bedeutung hat, Kühe können weinen, sich freuen und traurig sein.
Die kleine Snowy erteilt uns gerade wieder eine sehr interessante Lektion, was die Emotionen einer Kuh betreffen.
Snowy und ihr Zwilling
Als Snowy im Dezember vergangenen Jahres geboren wurde, war alles in Ordnung. Sie war glücklich mit ihrem Zwilling und mit der Mama. Snowy war kleiner als das zweite Kalb und so war sie vielleicht von Beginn ihres Lebens an sensibler als andere Kälber. Die Kälber wurden von der Mama getrennt und kamen in eine Kälberbox. Snowy selbst blieb klein und schmächtig, doch das Geschwisterchen nahm ordentlich zu und wuchs. So wurden nun die beiden auch noch getrennt. Das Geschwisterchen kam in einen Mastbetrieb und Snowy blieb zurück.
Von diesem Tage an wollte Snowy nicht mehr trinken. Der Tierarzt versorgte sie mit Vitaminen und anderen wichtigen Stoffen. Snowy war gesund, doch sie zeigte keinerlei Lebensfreude. Sie vermisste ihren Zwilling.
Snowy fragte „Wo ist mein Zwilling“?
Einer Gut Aiderbichl-Mitarbeiterin tat die kleine Snowy leid und sie bat um Aufnahme des kleinen, traurigen Kälbchens. Dieter Ehrengruber und sein Team versuchten sogar, Snowys Zwilling freizukaufen. Da führte kein Weg hin – Snowys Geschwisterchen entwickelt sich als profitables Mastrind und hat eine neue Bestimmung.
Die Tierpflegerinnen bemühten sich und unternahmen alles, um Snowy aus ihrer Traurigkeit zu locken. Mit dem Trinken wurde es besser. Snowy wird allmählich selbstbewusster und frisst mittlerweile ganz gut. Sie ist über dem Berg.
Leider können wir ihre Emotionen nur erahnen: keine Mama, kein Zwilling – aber hier sind viele Tiere und liebe Menschen und vielleicht kann Snowy im Frühling schon in die Rinderherde integriert werden.
Alles wird gut, liebe Snowy!
Von: Gisela Pschenitschnig, Gut Aiderbichl