Gerettet vom Glassammelplatz
Schildis sind toll
Sie sind keine Steine – sie haben Charakter
Wenn Tierpflegerin Steffi von ihren Schildkröten erzählt, wird ihre Stimme sanft.
„Jede hat ihren eigenen Charakter“, sagt sie. „Manche sind neugierig, andere zurückhaltend. Sie sind Urgesteine, aber keine laufenden Steine; und sie sind Persönlichkeiten mit viel Gefühl.“
Nach der Winterruhe sind unsere Schildkröten nun wieder wach. Bald dürfen sie ins großzügige Freigehege umziehen. Ihre kleinen Häuschen und Verstecke sind schon vorbereitet. Doch vor dem Einzug steht noch ein Gesundheitscheck – und die langsame Integration von fünf neuen Schildkröten, die in die bestehende Gruppe integriert werden. Denn auch Schildkröten brauchen Zeit, um sich an neue Freunde zu gewöhnen.
Gerettet vom Glassammelplatz
Gobi, Sahara, Atacama, Sonoca und Miro – so heißen fünf griechische Landschildkröten, die großes Glück hatten. Sie wurden in München in einer Holzkiste neben einem Glascontainer ausgesetzt. Ohne Wasser, ohne Futter – ein Überleben wäre kaum möglich gewesen.
Eine aufmerksame Frau entdeckte sie dort zufällig. Sie lagen eng aneinander – bewegungslos, aber am Leben, erzählte sie. Sie nahm die Schildkröten mit nach Hause, doch sie wollten nichts fressen. Die Retterin wusste nicht weiter und fragte daher auf Gut Aiderbichl an.“ Und so wurden Gobi, Sahara, Atacama, Sonoca und Miro Aiderbichler – mit neuem Lebensmut unter der Sonne.
200 Millionen Jahre Weisheit
Schildkröten sind echte Zeitreisende. Seit rund 200 Millionen Jahren leben sie auf der Erde – deutlich länger als wir Menschen. Es gibt über 300 Arten, viele davon vom Aussterben bedroht.
Die griechischen Landschildkröten, wie unsere fünf neuen Mitbewohner, sind beliebte Heimtiere. Doch oft werden ihre Bedürfnisse unterschätzt. Dabei können sie über 100 Jahre alt werden, wenn man ihnen das richtige Umfeld bietet. Die älteste Schildkröte der Erde war eine Landschildkröte in Indien und hieß Adwaita. Sie verstarb 2006 im Alter von 255 Jahren. Harriet, eine Schildkröte auf den Galapagos-Inseln, wurde 177 Jahre alt. Derart betagte Schildkröten sind nicht die Norm, aber sie zeigen dem Menschen, wer den längeren Atem hat.
Was Schildkröten wirklich essen
Viel Platz, Sonne, Schutz und eine artgerechte Ernährung sind das A & O. Schildkröten sind Feinschmecker – und Pflanzenfresser. Was auf ihren Speiseplan gehört? Wildkräuter wie Löwenzahn, Wegerich, Brennnessel, Schafgarbe oder Malve. Kein Obst, kein Gemüse, kein Hundefutter!
Falsche Ernährung kann zu schweren Erkrankungen führen: Gicht, Leber- und Nierenschäden oder deformierte Panzer. Deshalb wird das Futter im Gehege verteilt – damit die Tiere selbst suchen können. Und einmal pro Woche? Gibt’s nichts – ein Fastentag ganz nach Vorbild der Natur.
Wichtig: Immer frisches Wasser bereithalten – und auf giftige Pflanzen wie Eibe, Buchsbaum oder Engelstrompete unbedingt verzichten.
Ein neues Leben im eigenen Tempo
Bald können Sie Gobi, Sahara, Atacama, Sonoca und Miro in unserem liebevoll gestalteten Freigehege besuchen. Vielleicht sehen Sie einen von ihnen beim Sonnenbad – oder wie er langsam, aber entschlossen auf ein frisches Blatt Löwenzahn zusteuert.
Und vielleicht verstehen Sie dann, was Tierpflegerin Steffi meint, wenn sie sagt: „Wer einer Schildkröte begegnet, begegnet der Ruhe selbst.“
„Jeder, der mit Liebe und Einsicht arbeitet, hat gerade in seiner aufrichtigen Liebe zu Natur und Kunst eine Art Panzer gegen die Meinung der Menschen. Die Natur ist auch streng und gewissermaßen hart, doch trügt sie nie und hilft immer vorwärts.“
– Vincent van Gogh
Von: Gisela Pschenitschnig, Gut Aiderbichl