Nachruf Lola
Die kleine, wilde Tante
Lola kam als siebenjähriges Pony auf den Begegnungshof von Gut Aiderbichl Henndorf. Sie war von ihren Besitzern einst als Reitpony gekauft worden, machte ihnen aber sehr schnell klar, dass sie von Reitern auf ihrem Rücken so gut wie nichts hielt.
Schon als junges Pony litt Lola an Hufrehe, und das war mit der Grund, dass sie nicht geritten werden wollte. Irgendwann sollte die letzte Alternative für Lola der Metzger sein. Bevor das geschah, meldeten sich Lolas Besitzer bei der Tiernotfallstelle von Gut Aiderbichl, und baten um die Aufnahme ihres Ponys. Der Metzger sollte Lola doch erspart bleiben.
Viele Jahre lebte Lola, die kleine, wilde Tante, in der Hauptstallgasse gemeinsam mit Mundl. Mundl hat eine Vorliebe für kleine Ponys, und als seine Weibi mit über 40 Jahren verstorben war, gab er sich vollkommen auf. Er wollte nicht mehr richtig essen und litt unter dem Verlust seiner Partnerin. Wir wollten Mundl auf keinen Fall verlieren, und da kam den Tierpflegern die Idee, Lola zu seiner neuen Partnerin zu machen. Allerdings konnte man das mit Mundl ja nicht besprechen, und er wollte anfangs von Lola nichts wissen. Sie stand halt da. Ganz ruhig und geduldig.
Lola zeigte, dass sie zu den „Starken“ gehört. Sie erduldete Mundls abweisende Art. Mundl selbst vergaß offensichtlich, dass er sich aufgeben hatte wollen. Er fraß und trank und schaute sehr wohl, was Lola so tat. So ging es wochenlang dahin, bis wir feststellen durften, dass Lola gewonnen hatte. Die beiden Pferde standen nebeneinander, manchmal versuchte sie sich an ihn zu kuscheln. Sie wurde nicht mehr nur geduldet, sondern Mundl sah Lola als seine neue Lebenspartnerin.
Wenn die Beiden vom Paddock zurück in die Hofstallgasse spazierten, kam es manchmal vor, dass Lola schneller lief, als Mundl. Da wurde laut gewiehert „Warte auf mich!“ – sollte es vielleicht bedeuten.
Lola litt immer wieder an den starken Hufrehe Schüben und die Schmerzen wurden wohl immer gewaltiger. Wir scheuten keine Mühen und Kosten, um Lola in diesen schweren Zeiten alles zu bieten, was möglich war. Der letzte Hufreheschub war so stark und heftig, dass unsere Tierärzte, die Tierpfleger und der Hufschmied ratlos dastanden. Nichts wollte helfen, um Lola die Schmerzen zu nehmen.
Lolas Augen verrieten uns immer mehr, was sie sich wünschte: lasst mich gehen. Im Beisein all ihrer Tierpfleger und ihres Mundl, schlief Lola friedlich ein. Ihr wildes Herz wurde immer leiser, bis es gar nicht mehr zu hören war. Es war einfach ruhig und still.
So ist das Wesentliche einer Kerze nicht das Wachs, das seine Spuren hinterlässt, sondern das Licht.
– Antoine de Saint-Exupéry