Nachruf
Il en Rêve
Er hat den Menschen verziehen
Im Alter von 16 Jahren kam Il en Rêve in seinem Für-Immer-Zuhause auf Gut Aiderbichl in Frankreich an. Ab nun sollte er nie wieder leiden. Traurig und verlassen kam er in Moulin an. Es lag an uns, die Wunden seines Vorlebens zu heilen. Wir wollten Il en Rêve ein deutliches Zeichen setzen, dass nicht alle Menschen so sind, wie er sie in der Vergangenheit größtenteils kennengelernt hat.
Il en Rêve war in Irland gezüchtet worden und kam irgendwann nach Holland. Von dort aus ging es in die Tschechei, wo Il en Rêve bei den Pardubitzer Steeplechase-Rennen zweimal teilnehmen musste. Seit 1874 gibt es dieses entsetzliche Pferderennen, das als das härteste Galopprennen auf dem europäischen Kontinent gilt. Il en Rêve nahm 2009 und 2010 am Pardubitzer Steeplchase-Rennen als Springpferd teil. Nach dieser Karriere trat er als Springpferd bei verschiedenen Turnieren an. Il en Rêve war vollkommen ausgebrannt. Er wurde verkauft und kam in einen Reitstall in die Schweiz. Auch hier war er im Einsatz, bis er nicht mehr laufen konnte und das Leben eine Wende nahm.
Die Menschen denken sich vielleicht „Na ja, Aiderbichl hat schon viele Pferde gerettet. Dem Il en Rêve ging es in Frankreich ja bestens”. Aber hinter seiner Geschichte steckt mehr. In seinem Fall geht es um die Aufklärung der Missstände, die unnötig sind. Sie dienen nur der Unterhaltung der Menschen, die es teilweise toll finden, wenn ein Pferd nach dem Hindernissprung vielleicht nicht mehr aufsteht und tot ist, oder auch der Reiter schwer verletzt am Boden liegt.
Nach dem Sport ließ Il en Rêves Leistung mehr und mehr nach. Es wurde beobachtet, wie eine ängstliche Reitschülerin Il en Rêve aus Angst an den Zügeln riss, er warf sie ab und er flüchtete. Die Reitlehrerin bestrafte Il en Rêve mit einer Art, die man gar nicht schreiben möchte. Er wurde von einer Dame freigekauft und auf Gut Aiderbichl in Moulin aufgenommen.
Il en Rêve bedeutet „er träumt davon“ – es kann nicht sein, dass Il en Rêve von einer derartig fürchterlichen Karriere in seinem Leben geträumt hat. Sportpferde wie Il en Rêve werden wie Sportmaschinen behandelt. Wo bleibt die Ehrfurcht vor dem Lebewesen? Wodurch glauben Menschen das Recht zu haben, Tiere derart zu peinigen und sich daran auch noch zu ergötzen?
Il en Rêve hat die Anforderungen, die seine Menschen an ihn stellten, überlebt und ertragen. Wenn die Menschen sehen hätten können, wie stolz und aufrecht Il en Rêve sich in Frankreich bewegt hat und sein Leben in Ruhe genoss – niemand hätte geglaubt, was er hinter sich gelassen hat: hartes Training, mörderisch gefährliche Sprünge, Reiten bis zum Schluss, Schmerzen und Pein.
Il en Rêves schöne Augen werden wir nicht vergessen – sie haben viele Geschichten erzählt, aber sie haben nie geweint. Pferde können weinen, aber er war immer zu stolz dazu. So stolz wie er war, wollte er seinen Tierpflegern auch nicht wirklich zeigen, wie es gesundheitlich um ihn stand. Alle aber bemerkten, dass Il en Rêve immer schwächer und schwächer wurde. Sein Herz war krank und schwach und gebrochen? Vor ein paar Tagen fanden ihn die Tierpfleger auf seiner geliebten Weide liegend vor. Als würde er schlafen. Die Augen, die so viel Schreckliches gesehen hatten, waren sanft geschlossen, das Herz, dass durch die vielen Sporteinheiten geschunden war, hatte aufgehört zu schlagen.
Je hilfloser ein Lebewesen ist, desto größer ist sein Anrecht auf menschlichen Schutz vor menschlicher Grausamkeit.
~ Mahatma Gandhi
Lieber Il en Rêve,
Deine Lebensgeschichte lässt uns aufmerksam werden, und andere Lebensgeschichten beobachten wir noch genauer und werden nicht müde, zu helfen. Die vergangenen 10 Jahre, die du auf Gut Aiderbichl in Moulin verbracht hast, waren, so hoffen wir, deine besten und glücklichsten Jahre. Du hast es den Menschen nicht schwergemacht, dich zu lieben und zu begleiten. Für jede Stunde Zeit mit dir und für all die Streicheleinheiten warst du überaus dankbar.
Der Himmel ist um einen Stern reicher geworden.
Mach’s gut, lieber Il en Rêve.
Deine Menschen behalten dich in ihren Herzen.
Au revoir!
