Nachruf Ruby
Sie war geheimnisvoll wie eine Sphinx
Vor 13 Jahren war Ruby Aiderbichlerin geworden. Damals war sie ungefähr ein Jahr alt. Sie kam aus Kroatien und hatte dort wohl ein mehr oder weniger trauriges Streunerleben geführt.
Als sie gebracht wurde, säugte Ruby drei kleine Kätzchen, und sie überraschte mit weiteren sieben Kätzchen, die sie auf Gut Aiderbichl zur Welt brachte. Ein Wunder, eine unglaubliche Geschichte – alles war so geheimnisvoll wie Ruby selbst.
Immer wieder gibt es Menschen, die nicht wegsehen, wenn Tiere in Not zu sein scheinen. In der glühenden Hitze Kroatiens beobachtete eine Tierfreundin zwei offensichtlich trächtige Katzen. Wo würden sie ihre Jungen zur Welt bringen können? In der Hitze, auf der Straße, ohne gemütliches Bettchen? Ohne genügend Futter? Alles wurde unternommen, um die Katzen Ruby und Patsy aus ihrer misslichen Lebenssituation retten zu können. Sie sollten fühlen dürfen, dass es Menschen mit Mitgefühl für die Tiere gibt.
Auf Gut Aiderbichl wurden gemütliche Katzenzimmer eingerichtet. Patsy brachte drei Junge zur Welt, Ruby säugte bei der Ankunft auf Gut Aiderbichl ihre drei Jungen und bekam noch sieben „Nachzügler“. Die verstoßenen, tapferen Katzenmütter aus Kroatien lebten fortan in Ruhe, in Sicherheit, mit genügend Futter und viel Liebe und streichelnden Händen auf Gut Aiderbichl.
Ruby freute sich immer, wenn jemand ins Katzenwohnzimmer kam. Sie wusste, das bedeutete Streicheleinheiten ohne Ende. Meistens thronte sie ganz ruhig und voller Noblesse auf dem Sofa. Sobald man sich neben Ruby setzte, wollte sie die Menschenhände fühlen, und bekam gar nicht mehr genug. Leises, kräftiges Schnurren waren der Dank für die Liebkosungen.
Ruby wusste immer, was sie wollte. Da war auch ein wenig Diva in ihrem Verhalten. Wenn sie nicht wollte, was auch immer es war, dann wollte sie nicht. Sie war auch die Chefin aller Katzen im Katzenwohnzimmer von Gut Aiderbichl Henndorf. Ganz ruhig lag sie am Sofa, und bewachte das Katzenwohnzimmer und ihre Artgenossen wie eine Sphinx.
Vor einigen Monaten bemerkten die Tierpflegerinnen, dass Ruby sich anders verhält und körperlich abbaute. Die Diagnose in der Tierklinik ergab, dass sie an einer chronischen Darmentzündung leidet. Ein Medikament half zwar dem Darm, griff aber die Nieren an, und die Entzündungswerte verschlechterten sich. Alles Mögliche wurde von den Tierpflegerinnen und vom Tierarzt unternommen, um Ruby zu unterstützen.
Leise, ganz alleine für sich, beschloss Ruby, uns mit ihrem abnehmenden Fressverhalten zu zeigen, was sie vorhatte: sie schaute mehr und mehr in Richtung Regenbogenbrücke.
Die große Liebe in Rubys Leben waren die Menschen. Viele ihrer Tierpfleger waren mit ihr, bis sie in aller Ruhe und für immer ihre Augen schloss. Eine weiche Wolke voll Traurigkeit, Betroffenheit und Tränen begleiteten unsere Ruby in ein Leben ohne Schmerzen. Das Klopfen des kleinen Katzenherzens wurde immer leiser, bis es für immer verstumme.
Katzen erreichen mühelos, was uns Menschen versagt bleibt: Durchs Leben zu gehen, ohne Lärm zu machen.
~ Ernest Hemingway (1899 – 1961), amerikanischer Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger
Liebe Ruby,
du warst eine Katze voller Geheimnisse, die du uns nicht verraten wolltest. Ein Geheimnis hast du uns schließlich doch verraten: du liebtest die Menschen. Keinem Menschen hast du es schwergemacht, dich zu lieben.
Vielleicht sollen wir jetzt gar nicht viel reden – das war dir auch immer am liebsten. Statt zu reden sollten wir dich streicheln, das wolltest du – wenn wir in diesem Moment die Augen schließen und symbolisch dein weiches Fell streicheln, dann spüren wir dich. Du hast wunderbare Spuren in unseren Herzen hinterlassen. Mach’s gut Ruby, wir vermissen dich!
