Nachruf
Pony Sabrina hat einen anderen Pfad gesucht
Vor 18 Jahren rettete Gut Aiderbichl das Shettland-Pony Sabrina gemeinsam mit Hummel, Ernie und vielen weiteren Ponys sowie Esel Pinoccio vor dem Verkauf auf einem Münchner Pferdemarkt. Michael Aufhauser wusste, dass mit dem Verkauf an einen Viehhändler Ponys ihren Namen, ihre Heimat und ihre Vorgeschichte verlieren. Er fand Sabrina in Reih und Glied mit anderen Ponys angebunden auf dem Münchner Pferdemarkt. Was die Ponys nicht ahnten, aber ihr Retter wusste, war der Wettlauf mit der Zeit. Ponys, die bis Mittag keinen privaten Käufer gefunden haben, werden zum Kilopreis an Pferdehändler verkauft. Meistens führt die Tiere dann der Weg zur Endstation Pferdeschlachthof.
Sabrina war am Tag ihrer Aufnahme 15 Jahre alt, sie war fast blind und hatte Hufrehe. Sabrina mochte keine Menschen – vor allem Tierärzte oder Hufschmiede machten das Pony hochnervös. Geduld und gekonnter Umgang mit Sabrina jedoch machten sie mit der Zeit zugänglich und auch ein wenig sanfter.
Das fast blinde Pony war trächtig und einige Monate nach der Aufnahme auf Gut Aiderbichl kam Eboli zur Welt. Sabrinas Augen strahlten wie die Sonne, auch, wenn sie fast nichts mehr sehen konnte. Eboli wurde Sabrinas Sonne, ihr großer Schatz und Sabrinas Fels in der Brandung, ihr Brunnen in der Wüste – ihr Schatz.
Auch, wenn Eboli ein kleiner Trotzkopf war, Sabrina wusste, wie sie aus ihrem Fohlen eine gut erzogene Prinzessin machte. Leider verstarb Sabrinas Sonnenschein im Alter von 18 Jahren. Im Laufe der Zeit hatte Eboli Hufrehe bekommen. Es wurde alles unternommen, aber der letzte Reheschub war sehr heftig und so wurde beschlossen, Eboli von ihren Schmerzen zu erlösen. Sabrinas Trauer dauerte an, und irgendwie war ein weiter, trauriger Schatten um unsere betagte Sabrina entstanden.
Sabrina war vor vielen Jahren selbst in einem schlechten Zustand nach Aiderbichl gekommen. Die Sehkraft konnte ihr niemand mehr zurückgeben, doch Sabrina lernte sehr gut, sich zu orientieren und sie hatte ja ihre Eboli, die ihrer Mama eine große Stütze gewesen war.
Vor 8 Jahren war Sabrina mit Eboli in den A-Stall umgezogen. Das ist jener Stall, wo alte Pferde oder solche mit Handicaps ihren Lebensabend verbringen. Mit den Jahren war Sabrina zu den Menschen gütiger und sanfter geworden. Die Aiderbichler Tierpflegerinnen haben sie wohl überzeugen können, dass jeder nur ihr Bestes wollte.
Schon bei der Aufnahme hatte Sabrina kranke Hufe gehabt. Auch, wenn sie den Hufschmied gar nicht mochte – sie fühlte wohl, dass auch er es gut mit ihr meinte. Mit fast 33 Jahren, war der Zustand und die Beschwerden, die die Hufe machten, nicht mehr zu verbessern. Uns war eines klar: Sabrina durfte nicht leiden. Die Schmerzen wurden größer, und gemeinsam im Team, dem Tierarzt und Dieter Ehrengruber wurde beschlossen, unsere Sabrina zur Regenbogenbrücke zu begleiten. Erleichtert und friedlich schlief Sabrina ein – alle, die sie so viele Jahre gekannt und geliebt haben, waren bei ihr, als Sabrinas Lebenslicht erlosch, und als Sabrina ihre blinden Augen für immer geschlossen hat. Das Leuchten in Sabrinas Leben war Gut Aiderbichl und ihre Eboli gewesen.
Liebe Sabrina,
du warst besonders, geheimnisvoll und erfüllt von deinem Leben mit Eboli und deinen vielen Artgenossen. Du warst nicht irgendein Pony, du warst Sabrina, die etwas Geheimnisvolles ausstrahlte. Man kann aus den Augen der Pferde lesen – deine Augen blieben uns leider verschlossen. Aber du hast uns gehört und gerochen, hast deine Menschen an den Stimmen erkannt und warst ihnen zugetan.
Wir werden dich sehr vermissen, altes Mädchen. Mach’s gut da oben, im Pferdehimmel.
(…) Ich habe die Wüste immer geliebt. Man sitzt auf einer Sanddüne. Man sieht nichts. Man hört nichts. Doch etwas leuchtet in der Stille … »Es macht die Wüste schön«, sagte der kleine Prinz, »dass sie irgendwo einen Brunnen verbirgt.« Ich war überrascht, plötzlich verstand ich dieses geheimnisvolle Leuchten des Sandes (…).
~ Antoine de Saint-Exupéry
