Esperanza
Vor über zehn Jahren wehrte sie sich,
den Pferdetransporter zu betreten
Esperanza verbrachte 13 wunderbare Jahre am Begegnungshof in Henndorf, und brachte ihren Sohn Karino auf Gut Aiderbichl zur Welt. Für Esperanza war die Geburt damals wohl ein großer Glücksmoment.
Altersbedingt verstarb Esperanza vor einigen Wochen im Alter von 33 Jahren. Wir sind es ihr schuldig, den Menschen noch ein letztes Mal über ein wunderbares Pferd zu erzählen.
Esperanzas Ankunft am Begegnungshof in Henndorf hat viel gemeinsam mit anderen Stuten, die wir trächtig aufgenommen haben. Ein Tierfreund berichtete uns von einem Pferd, das sich voller Panik dagegen wehrte, auf einen italienischen Todestransporter zu gehen. Er kaufte sie sofort, weil er fühlte, dass Esperanzas Wehren eine Bedeutung haben musste, und er wollte ihr den letzten Weg, den Weg in den sicheren Tod, ersparen. Plötzlich war er Pferdebesitzer, stand mit Esperanza am Strick an der Straße und meldete sich bei Michael Aufhauser. Es gab ein klares „Ja“ zur Aufnahme. Tapfer hatte sich die Stute gegen ihren und den Tod ihres Fohlens im Bauch gewehrt. Es war und bleibt entsetzlich, was man vielen Pferden antut: Esperanza war trächtig, und hätte trotzdem auf einem italienischen Akkord-Schlachthof sterben sollen.
Vier Monate nach der Ankunft auf Gut Aiderbichl kam Karino zur Welt, und Esperanza hatte von nun an Muttergefühle wie eine Menschenmama. Liebevoll schleckte sie das gesunde Fohlen trocken. Ihre Augen waren ruhig und zufrieden, und vielleicht war da auch ein sanftes Lächeln in ihrem Gesicht? Liebevoll zog sie ihr Fohlen groß und Karino und seine Mama verbrachten noch viele Jahre miteinander und waren glücklich und rundum zufrieden.
Karino ist sehr temperamentvoll und vor sechs Jahren entschlossen wir uns, Esperanza in den speziell angelegten Seniorenstall für unsere Pferde zu transportieren. Esperanzas Beine waren müde und schwach, aber in Gesellschaft ihrer ebenfalls älteren Artgenossen, unseren Oldies, fühlte sie sich gut. Karino blieb in seiner Pferdegruppe und alles ist gut.
Allerdings wuchsen die Probleme mit Esperanzas Beinen immer mehr. Oft legte sie sich hin und wackelte dann wieder weiter. Ihre Augen begannen mit uns zu sprechen, und wir wussten, was sie uns sagen wollte. Dieser gewisse Blick am Ende eines Lebens drückt immer die Tränen in die Augen, aber uns ist klar, dass das Tier nicht leiden darf.
Auch trotz ihres hohen Alters, war es zu früh, diese wunderbare, tapfere und selbstbewusste Stute gehen zu lassen. Im Kreise ihrer Menschen und begleitet von einem Tränenmeer schloss Esperanza für immer ihre Augen.
Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.
– Jean Paul
Liebe Esperanza,
dein Selbstbewusstsein und deine Güte sind beispiellos. Danke, dass wir deine Wegbegleiter sein durften. Dein Lebensmotto war wohl „Lass dir nichts gefallen!“ – wir bewahren dieses Lebensmotto in unseren Herzen und lernen dazu. Die Geschichte der trächtigen Stute Esperanza, die sich gegen den Tod gewehrt hat, werden wir niemals aufhören zu erzählen.
Der Himmel hat einen neuen Stern, mach’s gut, Esperanza.
