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Stierkalb Ferdinand

Ferdinand hatte 5 Beine

Es gibt fast nichts, was es nicht gibt. Anfang Februar traute ein Bauer seinen Augen nicht. Er fand ein neugeborenes Kalb in seinem Stall, das eine Besonderheit hatte: am Hals hing ein fünftes Beinchen. Eine Fehlbildung also, die sich am Rücken des Stierkalbes gebildet hatte. Es lag im Stroh und der Bauer dachte „Das ist ja tot!“. Doch Ferdinand schlief, fühlte sich plötzlich gestört, stand auf und lief davon. Sein junges Leben war hiermit nicht dazu bestimmt, beendet zu werden.

Tiere mit Fehlbildungen werden zumeist geschlachtet

Ferdinand hätte mit seinem fünften Bein nicht in der Herde leben können, denn er hätte womöglich sich selbst und andere Tiere verletzt. Dieses Risiko geht man in einem landwirtschaftlichen Betrieb nicht ein.
Der Besitzer des Stierkalbes sah im fünften Bein kein Problem, und dachte nicht ans Schlachten. Das Problem war, dass Ferdinands Geburtsstall ein Milchviehbetrieb ist, wo nur weibliche Rinder leben. Das war der eigentliche Grund, warum Ferdinand nicht bleiben konnte. Die Gedanken des Bauern bewegten sich im Kreis, bis er die Lösung hatte: Ferdinand bekommt hoffentlich einen Platz auf Gut Aiderbichl?

„Geht nicht, gibt’s nicht!...“

Nach über 20 Jahren Bestehen von Gut Aiderbichl wurden bisher mehr als 6.000 Tieren eine Heimat auf Lebenszeit ermöglicht. Auch im Falle von Ferdinand wurde eine Lösung gefunden, und es ist ein wunderbares Zeichen des Bauern, dass er Ferdinand am Leben ließ. Das Kalb führt nun ein gutes, zufriedenes Leben auf Gut Aiderbichl in Henndorf. Es war auch besonders, dass der Besitzer Ferdinands besten Freund, Gustl, mitgegeben hat: „Die Beiden verstehen sich gut!“, meinte er lächelnd.
Somit war es die beste Lösung für alle: für den Bauern, der dem Transporter zufrieden nachschaute und für Ferdinand und Gustl, die gesund und munter heranwachsen.
Nach einigen Untersuchungen wurde Ferdinand in Wien in einer Spezialklinik für Rinder operiert. Nur die rasierte Stelle an der Wirbelsäule erinnert noch an das fünfte Bein.

Hätte Ferdinand ein Zwillings-Geschwisterchen bekommen sollen?

Eine Kuh trägt ihr Kälbchen rund 9 Monate im Bauch. Kälber, die mit mehr Beinen geboren werden, kommen in der Regel „ganz normal“ auf die Welt. Für das Kalb bedeutet ein, zwei oder drei Beine am Rücken nicht wirklich eine Beeinträchtigung. Die Beine können, wie im Fall von Ferdinand, operativ entfernt werden. Manchmal sind die Gliedmaßen per Knochen mit dem restlichen Körper verbunden, manchmal auch nur mit einer Hautfalte verwachsen. Überzählige Beine deuten darauf hin, dass sich ein Zwilling entwickelt hat, der sich jedoch nicht fertig entwickelt hat. Die Beine des abgestorbenen Embryos sind mit dem heranwachsenden Embryo verbunden.

Ferdinand und sein Freund Gustl sind so gesehen zwei kerngesunde, braun-weiße Fleckvieh-Stiere. Sie schlecken sich gegenseitig ab, kuscheln dicht gedrängt im Stroh und trinken die Milchmahlzeiten um die Wette. Die kleinen Hörner wachsen jeden Tag ein Stückchen weiter – alles ist gut.

Wir danken allen Unterstützern von Gut Aiderbichl, dass wir aufgrund ihrer Mithilfe Operationen, wie sie Ferdinand brauchte, finanzieren können.

Das Tier hat ein fühlendes Herz wie du, das Tier hat Freude und Schmerz wie du, das Tier hat einen Hang zum Streben wie du, das Tier hat ein Recht zu leben wie du.

– Peter Rosegger

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